In der Zeit, in der meine Oma in ihrem Sterbebett liegt, im letzten Zimmer der obersten Etage eines Pflegezentrums irgendwo in den Hügeln am Rande der Stadt, fahren wir sie oft besuchen.
Vati™ wartet im Wagen.. Die beiden haben sich eh nie wirklich gemocht. Oma hat nie verstanden, warum sich ihre Tochter [Ainzellkinndt, das] ausgerechnet für eben diesen einen kalten Herren entschieden hat.
Doch da man sich ja immer hübsch benimmt – schließlich sind wir ja alles erwachsene Leute – tragen sie ihre Gefühle & Gefechte nicht aus. Es wird runtergeschluckt. Alles. Man er-trägt sich (es) hallt.
Gute Miene zum bösen Spiel. Drinnen, im kleinen – der Familie – wie draußen, im großen … auf der guten, großen, runden Weltkugel.
Ich setze mich extra etwas weiter weg, schließlich besteht meine Aufgabe hier zur Zeit darin , das Leben der »erwachsenen Zuvilisierten« zu studieren, zu beobachten. Bis ich dahintergestiegen bin, was dieser ganze Schachsinn / Wahnsinn soll..
Omi und ich lächeln uns zu. Ich bin da, sie ist da, und Mutti und Claudi sind es auch. Wir müssen uns in irgendwelche Plastikvermummungen reintüten, schließlich sei Oma angeblich ansteckend. Mundschutz, Handschuhe, und diese Einwegtüte zum Überstülpen / Zuknoten.
Berührung – von Mensch zu Mensch – erfolgreich ausgeschlossen.
Systematisch.
Als wolle man uns sagen: Lasst die Alten einsam in Kälte verenden.
Verfickt gut eingeschädelt von – in nenne sie jetzt mal »die Elite«. Von den Herren mit den Augen in den Wolken, da hoch droben, wo es heißt, die Freiheit sei grenzenlos.
Manchmal ist Omi wach, »bei Bewusstsein«, man kann mit ihr über logische Zusammenhänge reden, und manchmal nicht. Dann fragt Mutti zum Beispiel irgendwelche Sachen, und Oma erinnert sich scheinbar nicht – oder spricht zumindest nicht mehr drüber.
Es sind so Sachen wie: »Auf deinem Balkon, da hast du dich doch immer wohl gefühlt. Erinnerst du dich noch an deinen Balkon?«
Die meisten Fragen sind Mindgames. Kleine Tests: Klappt das Gehirn noch – oder nicht – und wenn nicht, dann kommt kleinleise, die zivilisierte Hyäne raus:
»Guck«, sagt Mutti, »das hat sie schon gar nicht mehr mitgekriegt.« Sie spricht in der dritten Person über ihre Mutter, von der sie doch nur wenige Zentimeter entfernt ist.
Doch natürlich hat sie. Gespürt hat sie – gerade auch die Kälte der menalen Spielchen. Vielleicht hat sie auch tatsächlich nicht verstanden, was gefragt war. Vielleicht will sie auf diesen Schwachsinn auch gar nicht mehr reagieren, weil sie sich schon in enem Zustand befindet, in dem die Anzahl der Latten vor Ihrem Balkon einfach nicht mehr wichtig ist.
Verstanden hat sie also nicht – doch gespürt hat sie.
Claudi spielt das mütterliche Spiel mit und so reden dann beide über Oma, als läge sie nicht direkt neben ihnen.
Oma schaut mich mit einem schwer zu beschreibenden, leeren Blick an. Ich schaue zurück in ihre Augen und nicke leicht. Mit meinem Blick sage ich zu ihr: